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Erweiterung gen Norden? Schweden, Finnland und die NATO

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Source: NATO /​Flickr
08 Aug 2016, 
published in
Konrad-Adenauer-Stiftung

Überblick

  • Schweden und Finnland rücken immer näher an die NATO heran, bislang aber ohne die Vollmitgliedschaft anzustreben. Daran wird sich wohl auch vor den Parlamentswahlen 2018 bzw. 2019 nichts ändern. 

  • Für die NATO wäre die Aufnahme der Nordeuropäer unkompliziert und brächte zahlreiche Vorteile, vor allem für die nordisch-baltische Sicherheit, aber auch bei Themen wie der NATO-EU-Kooperation und der Politik der Offenen Tür. 

  • Trotz gewisser Risiken, allen voran die absehbare Reaktion Russlands, könnte Deutschland zwei wichtige und verlässliche Partner in der NATO gewinnen.

Abstrakt

Seit der Ukraine-Krise und der illegalen Annexion der Krim durch Russland rücken Schweden und Finnland näher an die NATO heran. Neu ist die Annährung der Nordeuropäer an das transatlantische Verteidigungsbündnis jedoch nicht. Seit 1994 arbeiten beide Länder im Rahmen des Programms Partnership for Peace (PfP) mit der NATO zusammen. Neben praktischer Verteidigungskooperation bedeutet das die Teilnahme im Planning and Review Process (PARP), der militärische Fähigkeiten weiterentwickelt und Interoperabilität stärkt. Nicht zu vergessen sind die militärischen Beiträge zu den NATO-Operationen im Kosovo und in Afghanistan sowie Schwedens Einsatz in Libyen 2011. Ein weiterer Meilenstein war der Status als Enhanced Opportunities Partners, den Schweden und Finnland seit 2014 genießen und mit dem sie ihre Partnerschaft mit der NATO vor allem im Ostseeraum vertiefen.

Dennoch kommt für Schweden und Finnland derzeit kein Beitritt zur NATO in Frage – und wenn, dann nur im Doppelpack, wie der Bericht einer Expertengruppe im Auftrag der finnischen Regierung vor kurzem bekräftigte. Die beiden Länder teilen das strategische Interesse an Sicherheit und Stabilität in der nordisch-baltischen Region. Dass sie zusammen stärker sind, hat sich schon vor 20 Jahren bei ihrem Beitritt zur EU gezeigt. Allerdings bleiben sie gegenüber der NATO-Mitgliedschaft zurückhaltend. Das liegt zum einen an ihrer politischen und strategischen Kultur der Neutralität und Bündnisfreiheit, an der sie zumindest symbolisch noch festhalten. Zum anderen begünstigen die politischen Verhältnisse in beiden Ländern die Beitrittsfrage nicht. Die finnische Regierung lässt sich zwar die Möglichkeit offen, zu einem späteren Zeitpunkt beizutreten, die schwedische schließt eine Mitgliedschaft aber ganz aus. Allerdings könnte in Schweden ein Regierungswechsel von der Koalition aus Sozialdemokraten und Grünen zu einem konservativen Bündnis die Beitrittsfrage in neuem Licht erscheinen lassen. Trotz der öffentlichen Debatte scheint es somit unwahrscheinlich, dass eine Entscheidung vor den Parlamentswahlen 2018 in Schweden bzw. 2019 in Finnland fallen wird.

Dennoch lohnt es sich, einen Blick auf die möglichen Folgen eines Beitritts für die NATO zu werfen, gerade für Deutschland. Denn mit der Aufnahme Schwedens und Finnlands gewänne die Bundesrepublik zwei wichtige Partner in der NATO, die eine gemeinsame Linie zu einigen Themen vertreten, wie zum Beispiel der Kooperation mit der EU. Mit Blick auf die vielen Fragezeichen, die der Brexit in Europa aufwirft, könnte sich Deutschland auf zwei Verbündete mit ähnlichen Interessen und Positionen in der NATO einstellen. Sollte das russische Säbelrasseln in der nordisch-baltischen Region anhalten, könnte der Beitritt der zwei nordeuropäischen Demokratien in nicht allzu ferner Zukunft Realität sein – zumal der Brexit auch sicherheitspolitisch für zusätzliche Dynamik in der Region sorgen dürfte.

The full paper is available for download.

This article was originally published in the 212/​2016 issue of Konrad-Adenauer-Stiftung’s Analysen und Argumente series.