Commentary

Mehr Ausgaben für Sicherheit – Brot und Bomben

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Source: Bundeswehr /​Flickr
28 Mar 2017, 
published in
Tagesspiegel Causa (Online)
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Kaum geht der Wahlkampf los, schon ist die Außenpolitik mitten drin. Auslöser sind Trumps Forderung nach höheren Rüstungsausgaben und der rhetorische Patzer des CDU-Staatssekretärs Jens Spahn, der lieber in Waffen als in Sozialleistungen investieren möchte. So ein Elfmeter ist schnell verwandelt. Beim Krönungsparteitag für Martin Schulz röhrt SPD-Außenminister Gabriel gegen die Aufrüstungsspirale.“ Eine Verdopplung des Wehretats auf über 65 Milliarden Euro im Jahr sei mit der SPD nicht zu machen, gemeinsame Absichtserklärungen mit den NATO-Partnern hin oder her. Gabriel spielt das Zwei-Prozent-Ziel für Verteidigungsausgaben kurzerhand gegen das gleichermaßen unerreichte 0,7‑Prozent-Ziel für humanitäre Hilfe und Entwicklung aus. Umgekehrt würd‘ ich’s ja verstehen,“ ruft Gabriel. Die Delegierten feiern, ein Hauch von Gerhard Schröders Anti-Irak-Wahlkampf weht durch den Saal.

Gabriel und die SPD wissen auch, dass die Bundeswehr dringend modernisiert werden muss. Doch Trumps Gepolter lässt den schwarz-roten Konsens für höhere Militärausgaben plötzlich so aussehen, als folge man brav dem Aufrüstungsdiktat aus Washington. Trump will Milliarden bei Diplomatie und Entwicklungshilfe streichen und ins Militär umschichten, und Deutschland läuft wie ein Hündchen hinterher?

Das will keiner, doch nur dagegen zu sein reicht nicht. Es fehlt eine moderne Leitidee für eine vorbeugende, europäische Friedens- und Sicherheitspolitik, die sich nicht nur in der spiegelbildlichen Forderung nach mehr Geld für Armuts- und Hungerbekämpfung erschöpft. Darum lohnt es sich im Wahlkampf zu streiten.

Ein Blick auf die Zahlen verdeutlicht die Verhältnisse: Es gibt im Wesentlichen drei internationale“ Etats im Bundeshaushalt, für Außen‑, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik. 2017 gehen gut 70 Prozent davon, 37 Milliarden Euro, in die Bundeswehr. Setzt sich die Union durch, wären es dann fast 85 Prozent, denn die anderen Etats sollen laut gemeinsamer Finanzplanung kaum steigen. In den nächsten sieben Jahren bis zum Zieltermin des Zwei-Prozent-Ziels würde der Anteil der Außenpolitik von 10 auf 6 Prozent sinken, der der Entwicklungshilfe von 16 auf 10 Prozent.

Die Gewichte zwischen Außen‑, Sicherheits- und Entwicklungspolitik würden sich also massiv verschieben. Das Signal wäre deutlich: Deutsche Außenpolitik ist Aufrüstungspolitik, mehr deutsche Verantwortung heißt mehr Militarisierung. Ist das die Botschaft, die von der Krisenwahl 2017 in die Welt gehen soll? Klar, da ist Brot statt Bomben“ ein Gewinnerargument.

Doch die einfache Gegenüberstellung von zivilen und militärischen Mitteln, die schwarz-weiße Wahlkampfrhetorik wird der Realität nicht gerecht. Zivile und militärische Beiträge sind nicht austauschbar. Für einen Panzer weniger könnten wir uns zwar viele Entwicklungshelfer leisten, doch die schrecken Putins Freischärler nicht ab und schaffen unseren baltischen und polnischen Nachbarn deshalb auch keine Sicherheit. Als kurdische Milizen im Sommer 2014 zehntausende Jesiden vor dem Völkermord durch den Islamischen Staat bewahrten, haben sie das nicht mit Jogamatten gemacht, wie Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir damals treffend bemerkte.

Deutschland hat 2017 eine andere internationale Rolle als noch vor vier Jahren. Dieser Wahlkampf ist eine Chance, die notwendigen Prioritäten unserer wachsenden internationalen Verantwortung konkret und zugespitzt zu diskutieren. Statt billiger rhetorischer Spielchen muss es darum gehen, eine echte strategische Debatte über die Grundlinien unserer Friedens- und Sicherheitspolitik zu führen, statt über die Größe eines einzelnen Instruments dieser Strategie zu streiten.

Es stimmt ja, dass wir Europäer uns nicht mehr allein auf die USA verlassen können. Dass wir mehr tun müssen, um durch EU und NATO besser für unsere gemeinsame Sicherheit zu sorgen. Dass wir beim nächsten Mal besser aufgestellt sein müssen, um Krisen wie den Krieg in Syrien und den Vormarsch des Islamischen Staats im Irak verhindern oder zumindest dämpfen zu können. Panzer für Litauen und Luftraumüberwachung über den baltischen Staaten sind also genauso wichtig wie Gewalt zu verhindern und Konflikte zu lösen – zu einer modernen, vorbeugenden, europäischen Friedens- und Sicherheitspolitik gehören sowohl Bündnisverteidigung als auch Krisenprävention und Konfliktbewältigung.

This is a shortened and updated version of a commentary that appeared in the print version of Tagesspiegel Causa on April 23, 2017. The full version was published on the PeaceLab2016 blog. An English version can be accessed here.